Geschichte der Baumschulbahn

Pioniergeist und Ideenreichtum

Die Entstehung der Schinznacher Baumschulbahn ist der Innovationskraft und Fantasie von Hermann Zulauf, dem Grossvater der heutigen beiden Geschäftsführer Christian und Johannes Zulauf, zuzuschreiben. Dass die Bahn Jahre nachdem sie in Vergessenheit geriet wieder aufgebaut wurde, hat Dr. Hermann Zulauf, der Vater der jetzigen leitenden Generation, buchstäblich ins Rollen gebracht. Seine Kindheitserinnerungen waren geprägt von Spiel und Arbeit mit und auf der Transportbahn. Und diese waren Auslöser für das Aufleben und Entstehen der Schinznacher Baumschulbahn wie wir sie heute kennen.

1928 hatte Alexander Fleming gerade das Penicillin entdeckt, Atlantik und Pazifik wurden das erste Mal mit Flugzeugen überflogen und Autos waren der vermögenden Gesellschaftsschicht vorbehalten. In diesem Jahr beginnt die Geschichte der Schinznacher Baumschulbahn. Hermann Zulauf, der die 1879 gegründete Baumschule um die Jahrhundertwende übernommen hatte, beginnt mit dem Bau einer Transportbahn. Ein für damalige Verhältnisse sehr eigensinniges Unterfangen, das vermutlich einiges Kopfschütteln ausgelöst hat.
 

Clevere Idee ohne Nachahmer

Beim genaueren Hinsehen war die Transportbahn zwar ungewöhnlich, aber eine kluge Innovation. Bis dahin wurden Transporte von Pflanzen, Erde, Torf oder Mist mit Fuhrwerken ausgeführt, die entweder von Manneskraft oder von einem ausgeliehenen Pferd gezogen wurden. Die Bahn mit ihrer Spurweite von 60 Zentimetern war ein platzsparendes und praktisches Transportsystem, das die Arbeit sehr erleichterte. Sie bedingte zwar eine einmalige Investition, war aber nachher im Unterhalt sehr bescheiden im Gegensatz zu Fahrwegen für Fuhrwerke. Die schmale Spurweite (zur damaligen Zeit Standard für Feldbahnen in Westeuropa) liess enge Kurven zu und für die Befahrung der einzelnen Quartiere in der Baumschule hatte man an verschiedenen Stellen Drehscheiben eingebaut. Die Bahn bestand aber nach wie vor nur aus Transportwagen, die mit reiner Muskelkraft gezogen oder geschoben wurden. Sie leistete bis in die 50er-Jahre wertvolle Dienste, blieb aber schweizweit eine Ausnahmeerscheinung.
 

Motorisierung der Landwirtschaft

Mit der rasanten Weiterentwicklung des Verbrennungsmotors kamen in den 50er-Jahren die ersten Traktoren auf. Dr. Hermann Zulauf, der den Betrieb im Jahr 1968 von seinen Eltern im Alter von 24 Jahren übernommen hatte, setzte ebenfalls auf die neuen Transportmittel. Er hatte gerade sein Agronomie-Studium beendet und war nicht weniger ideenreich als seine Vorfahren. Während eines Aufenthalts in den USA sah er sich mehrere Baumschulen an, die damals bereits teilweise auf die Anzucht der Gehölze im Topf umgestellt hatten. Diese Neuheit führte Dr. Hermann Zulauf auch in der Baumschule in Schinznach-Dorf ein. Ende der 60er-Jahre baute er das erste grosse Gewächshaus für Kleinpflanzen, für das er damals reihum belächelt wurde. Einige Jahre später waren Gewächshäuser nicht mehr aus den Baumschulen wegzudenken. Kurz gesagt: Die Pflanzen-Produktion veränderte sich grundlegend und die Transportbahn hatte fast ausgedient. Viele Gleise wurden ausgebaut und Wagen entsorgt.

Ausgedient, aber nicht vergessen

Obwohl die Bahn schon einige Jahre nur wenig in Betrieb war, war sie nicht vergessen. In den 70er-Jahren wollte sie Dr. Hermann Zulauf im Hinblick auf das 100-Jahr-Jubiläum der Baumschule 1979 wieder ausbauen. Von dieser Idee bis zur ersten Fahrt vergingen dann aber doch rund zwei Jahre. Die Baumschule hatte sich enorm vergrössert, 1977 wurde das Bonsaicenter eröffnet und der Baumschulpark wurde ebenfalls ausgebaut. In diesen Jahren entstand mehr oder weniger das Streckennetz so wie es heute vorliegt, obwohl einige Abschnitte aufgrund von Umzonungen (z.B. bei der Kiesgrube) und weiteren Erweiterungen der Baumschule neu verlegt werden mussten.
 

Rollmaterial und Schienen

Die Passion für Feldbahnen teilte ein ehemaliger Schulkollege Dr. Hermann Zulaufs, dessen Vater bei der Zementfabrik Holderbank Dampflokomotivführer war. Mit dem neu erwachten Interesse fand Dr. Hermann Zulauf bald die erste Diesellokomotive, die auf dem Schienennetz der Schinznacher Baumschulbahn ihre Runden drehte. Sie wurde von der Ziegelei Hochdorf samt einer Ladung Schienen verkauft, wo sie jahrzehntelang für den Lehmtransport von der Grube bis zur Ziegelei im Einsatz war. Weitere Schienen, Loks und Wagen kamen per Bahn und Transporter nach Schinznach-Dorf und wurden dort akribisch revidiert und wieder auf Vordermann gebracht, vor allem von Mitarbeitern der Baumschule, die während der Wintermonate nicht voll ausgelastet waren.

Am 13. April 1978 war es dann soweit: Die ersten Fahrten durch die Baumschule fanden statt. Was ursprünglich für die Grosskunden der Baumschule gedacht war, denen man die Produktion und Aufschulung der mehrjährigen Pflanzen zeigen wollte, zog bald das Interesse eines breiten Publikums auf sich.  

Weitere Diesel- und Dampfloks kamen dazu, aus der damaligen Bundesrepublik Deutschland, aus der DDR und Polen. Sie stammten aus verschiedenen Werken, die Feldbahnen für den Lehm- oder Zuckerrübentransport eingesetzt hatten. Mit dabei war auch eine alte deutsche Heeresbahnlokomotive aus Armeebeständen des 1. Weltkriegs.
 

Firmenjubiläum unter Dampf

Das 100-Jahr-Jubiläum 1979 war ein voller Erfolg, dazu leisteten natürlich die drei Dampfloks einen wesentlichen Beitrag, die mit ihren Wagen die Gäste durch das Gelände und den neu angelegten Baumschulpark beförderten und bei grossen und kleinen Besucherinnen und Besuchern enorme Freude auslösten.  

Mittlerweile hatten sich auch viele Bahnfans eingefunden, die mit ihrer Begeisterung und vielen Fron-Arbeitsstunden zum Gelingen beitrugen. Obwohl Dr. Hermann Zulauf es sich nicht nehmen liess, ab und zu selber im Führerstand die Bahn durch die Baumschule zu lenken, brauchte es noch weitere Lokführer, Heizer und Kondukteure, um den Betrieb der Schinznacher Baumschulbahn zu gewährleisten. Und natürlich Fachleute, die das Wissen und die Fähigkeiten hatten, die Loks, die zum Teil in schlechtem Zustand waren, wieder auf Vordermann zu bringen.

Alle diese freiwilligen Helfer gründeten im Jahr 1980 den Verein Schinznacher Baumschulbahn und sind seither verantwortlich für die Revision, den Betrieb und Unterhalt der Loks und Wagen.  

Die Baumschule mit eigener Bahn – ein Publikumsmagnet

Die Eröffnung des Gartencenters 1981 zog viele Kundinnen und Kunden aus der näheren und weiteren Umgebung an, von denen natürlich viele auch eine Fahrt mit der Baumschulbahn genossen und weiter zu ihrer Bekanntheit beitrugen. Bis heute ist die Schinznacher Baumschulbahn für die Zulauf AG ein wichtiger Publikumsmagnet und wird rege besucht. Kleine und grosse Besucher geniessen eine Rundfahrt, Hochzeitsfeiern beginnen mit einem Apéro beim Bahnhof mit anschliessender Rundfahrt auf der Baumschulbahn und Geburtstagsgesellschaften feiern das Zusammensein mit einer luftigen Fahrt durch den schönen Park mit See und anschliessendem Essen im Baumschul-Café.  

Der Unterhalt der gesamten Gleisanlage obliegt der Zulauf AG, für den Betrieb der Bahn und den Unterhalt von Loks und Wagen ist der Verein Schinznacher Baumschulbahn zuständig. Der Verein ist auch für den Neukauf von Loks verantwortlich, die Baumschulbahn verfügt mittlerweile über 9 Dampf- und 6 Dieselloks. Mit neuen Angeboten wie der Kindergeburtstagsfeier mit Fahrt auf der Baumschulbahn oder dem Nordpol-Express, der im Dezember vor allem Familien mit Kindern durch eine zauberhafte Weihnachtswelt fährt, macht die Bahn immer wieder von sich reden und findet immer wieder neue kleine und grosse Fans.